Sam und Moe

Das Leben als Teenager ist im Grunde schon kompliziert genug. Davon kann Moritz Landvogt ein Lied singen. Von den Eltern zu einer Therapie gezwungen, schlägt er sich mehr oder weniger durch sein chaotisches Leben. Neben der Schule, die in Bezug auf das Verstecken vor seinen Mitschülern alles von ihm abverlangt, kommt ihm auf einmal auch noch einer der Nachbarn in die Quere. Samuel Johnsan hat seine eigene Firma, ist erfolgreich, trägt teure Klamotten und ist allgemein ziemlich selten allein in seinem Schlafzimmer. Ein Mann, dem es an nichts fehlt.

Während Moritz, der lieber Moe genannt wird, mehr damit beschäftigt ist, seine Flucht aus dem Elternhaus zu planen, spielt der Nachbar eine immer größere Rolle. Er könnte ihm helfen, alles hinter sich zu lassen. Wenn da nicht die ein oder andere Sache wäre …

Von Tag zu Tag häufen sich die Tierangriffe, lassen die Gegend gefährlich werden. Was hat der Nachbar damit zu tun und wieso entwickelt er so großes Interesse an dem jungen Mann mit den langen schwarzen Locken?

Leseprobe

Hintergründe

»Wie wäre es, wenn wir gemeinsam etwas schreiben würden?«, fragte ich Pat Grace eines Tages und hörte nur erstauntes Schweigen.
Natürlich hab ich nicht aufgegeben, wir starteten etliche Diskussionen und jonglierten mit Ideen hin und her.
»Vampire sind absolut nicht mein Ding«, bekam ich mehrfach zu hören, was mich dazu bewegte, Pat zu fragen, was denn stattdessen ›genehm‹ wäre.
»Wie wäre es mit schwule Werwölfe?« Es war pure Provokation! Und noch schöner die Reaktion, als ich zustimmte.
Das war der Beginn von etwas ganz Wundervollem… <3

Lesehappen

#1
Was zur Hölle ist denn heute nur los?«, schnaufte ich überfordert, als Al schon die nächsten Pizzakartons in die Styroporkisten packte.
»Ich habe keine Ahnung! Hier klingelt dauernd das Telefon. Selbst Paps kommt nicht mehr hinterher, die Bestellungen entgegenzunehmen. Sobald er den Hörer weglegt, ist der Nächste dran«, lachte Al, da er es selbst für einen Scherz hielt.
»Haben die alle keinen Geschmack mehr oder was?«, brummte ich und schüttelte den Kopf, während ich die nächste Kiste aufs Mofa schnallte.
»Hey, ich mache die Pizzen!«, grinste Alberto Junior und schlug mir mit der Faust gegen den Oberarm.
»Entschuldige! Seitdem sind diese grandios! Na, in Ordnung. Ich düse mal los.« Ich hob die Hand zum Abschied und schwang mich erneut auf die Klapperkiste.
Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft ich in dieser Nacht hin und her gefahren war. Jedes Mal, wenn ich eine oder mehrere Pizzen ausgeliefert hatte, fand ich mich vor teuren Häusern wieder. Wenn die Leute hinter der Tür wie meine Eltern waren, gaben sie sich doch nie im Leben mit Pizza zufrieden!
In der Hoffnung, ein letztes Mal klingeln zu müssen, stieg ich vom Mofa und überquerte das Anwesen. Drinnen war alles finster und es hing nur ein Zettel an der Haustür.
»Leg die Pizza einfach vor die Haustür. Geld liegt unter dem Stein!«

#2
Wütend sah ich dem Jungen nach, der mich beinahe über den Haufen gefahren hätte. Ich kannte ihn. Er war der Sohn von Wilhelm und Liane, meine mir ziemlich unsympathischen Nachbarn, die jedes Mal den Eindruck machten, als wären sie einer Seifenoper entstiegen. Das Problem daran war, dass ich ihnen dieses Theater nicht abnahm. Liane war keine brave Hausfrau und treusorgende Mutter, dafür machte sie mir zu oft schöne Augen. Hätte ich mich darauf eingelassen, wäre sie bestimmt schon mindestens einmal durch mein Bett gerutscht. Und Wilhelm? Den interessierte nur die Arbeit. Der Sohn konnte einem leidtun.

#3
Ich dachte an den Jungen auf dem Skateboard. Er hatte irgendwie verloren ausgesehen. Diese Miene kannte ich nur zu gut.
»Verhält sich dein Sohn in letzter Zeit seltsam?«
»Oh, nun ja … Er hat seine Schwierigkeiten in der Schule und auch sonst kann man ihn launisch nennen. Die meiste Zeit schließt er sich im Zimmer ein und lässt niemanden an sich heran.« Liane zuckte mit den Schultern, nicht erfreut, in welche Richtung die Unterhaltung ging.
Launisches Verhalten? Sich ins Zimmer einschließen, um allein zu sein? Dieses Verhalten alarmierte mich. Was, wenn Roberts Fall nichts mit Adrians oder meiner Sippe zu tun hatte, sondern mit einem Außenstehenden? Ein zufällig Gewandelter, der zudem bald aus dem Teenageralter raus war. Triebe, Emotionen, Hormone … ein mörderischer Cocktail!
»Gibt es einen besonderen Anlass für diese Stimmungsschwankungen? Ich weiß, es geht mich im Grunde nichts an«, schenkte ich ihr während dieser Worte mein einnehmendstes Lächeln und sie war sogleich besänftigt.
»Seit ein paar Wochen geht das nun so. Eine Sache in der Schule.« Mehr wollte Liane wohl nicht dazu sagen, denn sie zog sich zurück und wandte sich zum Gehen. Es erinnerte mich an eine Flucht.

#4
Mein Termin war soeben beendet worden. Ich trat auf die Straße und wollte mich meinem Wagen zuwenden, als ich ein Hupkonzert vernahm. In dieser Stadt war es keine Seltenheit, dass Leute auf Fehler lautstark hingewiesen wurden, aber hier beschlich mich ein sonderbares Gefühl. Etwas war anders!
»Was hast du gesagt? Du willst ein paar aufs Maul?«, brüllte jemand und ich erkannte die Gestalt, die da auf einem ziemlich verbeulten und klapprigen Moped saß: Moritz Landvogt – mein Nachbar.
›Ach du Scheiße! Wenn er jetzt ausflippt‹, schoss es mir durch den Kopf und eilte auf dieses Spektakel zu. Bisher fehlten mir zwar die Beweise, aber es musste einen Grund geben, wieso ich diesem Jungen seit kurzem ständig über den Weg lief. Zudem hatte er etwas an sich, das mich anzog. Das war schwer zu erklären, gab es jedoch oft bei Wölfen. Man fand sich einfach.
»Ich glaub, für dein Verhalten gehört dir mal so richtig eins aufs Maul«, fuhr ihn der Betrunkene an und holte aus.
Ich rechnete damit, dass sich der Junge wegducken würde oder zumindest etwas in der Art, aber er schloss nur die Augen und wartete darauf, getroffen zu werden. Das konnte ich nicht zulassen!
»›Aufs Maul geben‹ ist heute nicht drin!« Glücklicherweise erreichte ich den Angreifer, ehe er den Jungen erwischen konnte, und wehrte diesen ab.
Mich wie einen Geist anstarrend, taumelte der Betrunkene zurück in Richtung Gehweg. Der würde mir keine Schwierigkeiten machen, da war ich mir sicher.
»Alles okay?«, wandte ich mich an Moritz, der irritiert die Augen öffnete, mich kurz anblinzelte und auf einmal Vollgas gab.
Der Junge war eindeutig verrückt!
»Hey! Da sagt man wenigstens ›Danke, dass du meinen Arsch gerettet hast‹!«, schrie ich ihm hinterher und bemerkte, dass er den Arm hob und mir winkte. Er hatte mich zumindest gehört.

#5
Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, wie sich Panik in ihm breitmachte. Am liebsten wäre er vermutlich aus dem Haus gerannt, doch hielt er sich noch zurück. Ich hörte den lauten Herzschlag, roch die Nervosität und fühlte … Moritz.
»Keine Sorge. Ich wollte dir nur ein paar Fragen stellen. Es ist ungewöhnlich, dass du Pizza ausfährst. Haben deine Eltern da nichts dagegen?«, bemühte ich mich um einen unanstößigen Plauderton, der allerdings nur bewirkte, dass der Junge vor mir die Stirn runzelte.
»Die interessiert es nicht. Ich habe den Job, um mir meine Hobbys und Ziele finanzieren zu können.« Seine Worte kamen gepresst heraus, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen.
Seit seiner Ankunft hatte ich ihn nicht aus den Augen gelassen. Ich war mir mittlerweile ziemlich sicher, dass er keine Wolfsgene in sich trug. Vielleicht war er ein Anwärter? Er roch zwar sehr stark nach Pizza, aber da war auch etwas anderes … Wenn ich nur benennen könnte, was es war.
»Hast du denn so ein kostspieliges Hobby?«, versuchte ich, das Gespräch am Laufen zu halten. Dieses Manöver schien zu wirken, denn Moritz biss nachdenklich auf der Innenseite seiner Wange herum, als würde er die passenden Worte suchen.
»Ich will reisen. Meine Eltern haben gesagt, dass ich es tun kann, wenn ich das Geld zusammen bekomme.« Er presste plötzlich die Lippen aufeinander. Moritz hatte mehr ausgeplaudert als geplant.